Stell dir vor du hättest versucht, einen Teil von dir über Jahre hinweg loszuwerden. Zum Beispiel hättest du versucht, Schmerz aus deinem Leben zu verbannen. Du hättest versucht bzw. dir irgendwie beigebracht, wie es dir möglich wird, deine Emotionen zurückzuhalten. Selbst in Situationen, in denen du dich so in die Enge getrieben gesehen hast, dass du eigentlich vor Wut hättest platzen wollen, hättest du dich kontrolliert. Du hättest es geschafft, dass alles an dir abprallt oder dich kalt lässt.
Des Weiteren hättest du versucht Ängste zu verdrängen, Verluste und Trauer zu übergehen, Gefühle von Verletzt sein relativiert und Enttäuschungen schöngeredet und stattdessen so getan, als wäre alles cool.
Nehmen wir an, das Ganze hätte auch funktioniert und du hättest all diese Gefühle in einem Buch mit sieben Siegeln verstaut, jedes einzelne damit verbundene Kapitel geschlossen, abgehakt, sieben Siegel draufgepackt und es weit weg unter Verschluss gestellt.
Natürlich muss es ganz sicher sein, also vergisst selbst du, wo du dieses Buch versteckt hast. Niemand, nicht einmal du selbst, darf es finden, denn dort ist alles drin, was du in deinem Leben nicht haben und gebrauchen kannst. Alles woran du mühsam gearbeitet hast, es loszuwerden in der Hoffnung, glücklich zu werden bzw. zu sein.
Ist der Versuch gelungen? Du fühlst dich leer, bist unzufrieden, stellst dir die Frage, ob das alles gewesen sein soll. Das ist ja eigentlich bei dieser Vorgeschichte absolut logisch, denn wenn du alle Emotionen und Gefühle losgeworden bist, muss dir folglich etwas fehlen und natürlich ist das nicht alles, was du bist und fühlst.
Jetzt stellen die meisten jedoch die falsche Frage auf der Suche nach dem Problem. Sie fragen, was in ihrem Leben nicht stimmt. Was sich in ihrem Leben verändern muss, damit sie wieder glücklich sind. Was an der Beziehung nicht stimmt, was fehlt.
Meist zielen die Fragen darauf ab, dass das Problem in der Außenwelt zu liegen scheint. Es wird davon ausgegangen, dass in der Außenwelt etwas nicht stimmt, obwohl das Problem in der eigenen Innenwelt liegt und dort auch gelöst werden dürfte.
Erinnerst du dich an die zwei Fragen, die ich dir oben gestellt habe?
Welche Farbe hatte für dich noch einmal Wut?
Und Liebe?
Der allererste Impuls ist spontan sehr wahrscheinlich für beides Rot gewesen, richtig?
Kannst du dir vorstellen, dass es nur möglich ist, die Wut loszuwerden, wenn gleichzeitig jegliches Gefühl welches mit Liebe, Zuneigung oder ähnlichen Qualitäten verbunden ist, mit verschwinden muss?
Das heißt, die Wut loszuwerden gelingt nur, wenn die eigenen Gefühle bzw. die mit den Gefühlen in Verbindung stehenden Emotionen, komplett abgeschnitten, verdrängt, verschüttet oder unter einem Deckel gehalten werden. In dem Versuch z. B. Wut zurückzuhalten, müssen alle anderen Gefühlsqualitäten mit zurückgehalten werden.
Warum?
Dazu dürfen wir uns anschauen, was Emotionen sind. Wenn wir uns das Wort anschauen, dann ist in dem Wort Emotion, das englische Wort Motion zu finden, was im Deutschen übersetzt Bewegung heißt. Man kann also sagen, Emotionen sind Energien in Bewegung, die wir als Gefühle wahrnehmen.
Wir haben zwei Wege bzw. Arten, Gefühle wahrzunehmen. Einmal wenn Gefühle im Fluss sind, was immer mit einer angenehmen Gefühlswahrnehmung verbunden ist oder wenn Emotionen bzw. die Energien also der emotionale Fluss blockiert ist, was immer mit einer negativen, oder als ein Widerstand oder als eher dumpfe Gefühlsqualität wahrgenommen wird.
Das heißt jedoch im Grunde, dass nicht der eingeschränkte oder abgeschnittene Emotionsfluss wahrgenommen wird, sondern die Abwesenheit davon und somit die Wahrnehmung auf die Blockade gerichtet ist, jedoch dieses entsprechende Gefühl meist fehlinterpretiert wird.
Man kann es beschreiben, als wäre dein Körper ein Gefäß, in dem sämtliche Energien also E-Motionen in Bewegung sind und entsprechend als Gefühlsqualitäten erfahren werden können.
Sind sie im Fluss, fühlen wir uns erfüllt, glücklich, freudig und zufrieden. Besteht eine Unterbrechung des Emotionsflusses, also des Energiestromes, spüren wir dies natürlich auch. Jedoch, wie schon beschrieben, spüren wir nicht mehr den Fluss des Stromes, sondern die Aufmerksamkeit richtet sich auf die Blockade.
Kennst du den berühmten Kloß im Hals oder das Gefühl, als läge ein Stein auf deiner Brust?
Wie fühlt sich das an? So als wäre alles im Fluss oder eher wie ein Widerstand oder wie eine Last?
Ein derartiger Kloß im Hals oder Stein auf der Brust ist eine solche Blockade. Und dieser geben wir oft den Namen eines Gefühls bzw. interpretieren sie als ein solches.
Es ist jedoch kein wirkliches Gefühl, welches du in deinem Körper aus einem fließenden Strom der emotionalen Energie heraus wahrnimmst. Das, was du spürst, ist die Abwesenheit des Emotionsstromes welcher durch die Blockade, also wie im Beispiel durch den Kloß im Hals, den Stein auf der Brust entsteht.
Diese Blockaden sorgen dafür, dass die eigene Emotionalität und somit das Gefühlsleben so eingeschränkt oder aus dem Gleichgewicht gebracht ist, dass in der Folge Zweifel, Orientierungslosigkeit, Unzufriedenheit, Unerfülltheit u.ä. entstehen.
Manchmal kann irgendwann der Eindruck so großer Leere entstehen, als stünde man vor einem schwarzen Loch, in das man buchstäblich hineingezogen werden würde oder man den Boden unter den Füßen zu verlieren scheint.
Die Idee des Verstandes ist es jetzt, diese Blockade zu bekämpfen bzw. in der Außenwelt nach Gründen zu suchen, die dafür verantwortlich sein können. Und ganz sicher werden diese gefunden. Die Beziehung, der/die Partner/in, die Welt, die Umgebung, der Job oder was auch immer sind dann leicht gefundene Ursachen, auf die das entsprechende Gefühl projiziert wird.
Nun schließt der Verstand daraus, dass auch dort das Problem zu lösen wäre, was immer scheitern muss, denn die Ursache liegt nicht in der Außenwelt sondern im Inneren.
Stell dir also vor, ein roter Strom einer Energie der Liebe strömt frei und leicht durch deinen Körper. Was würde passieren, wenn man diesen Strom blockiert, vielleicht bewusst einbremst, oder er einfach am Fließen gehindert wird? Richtig, Liebe kann auf der Gefühlsebene nicht mehr erfahren werden.
Stell dir vor, ein gelber Strom der Freude strömt frei und leicht durch deinen Körper und wird durch einen symbolischen Stein oder wie auch immer am Fließen gehindert? Würdest du mir zustimmen, dass ein Gefühl von Freude nicht mehr erfahren werden kann?
Stell dir vor, ein grüner Strom, welcher mit einem Gefühl von Hoffnung verbunden ist, reißt ab oder wird ggf. bewusst oder wohl eher unbewusst abgeschnitten? Genau, Hoffnung und das Gefühl von Zuversicht und Vertrauen verschwindet.
Wenn das alles so läuft bzw. bis ins Alter von 30, 40 oder 50 Jahre gelaufen ist, ist es dann nicht einfach nur logisch, dass man irgendwann die Krise kriegen muss? Das ist der Moment, in dem die sogenannte Midlife Crisis nennt ihren Lauf nimmt.
Leider schauen die wenigsten jetzt dort nach der Lösung, wo das Problem auch entstanden ist, nämlich im Inneren. Aus meiner Sicht ist das der nachvollziehbare Grund, warum die meisten Beziehungen statistisch gesehen bei Männern im Alter um die 45 Jahren herum scheitern (bei Frauen um die 42 herum).
Bei den meistens ist in diesem Alter das Leben soweit aufgebaut und es wird Platz, auch im Inneren zu hören, was da alles rumort. Das Buch mit den sieben Siegeln ist über die Jahre randvoll gepackt worden und die eine oder andere Seite reist heraus und taucht plötzlich auf.
Dieses Buch will also irgendwann, dass man sich ihm widmet und die Midlife Crisis ist aus meiner Sicht die deutliche Einladung dazu, seinen Gefühlen und Emotionen zu begegnen und gerade verdrängte Aspekte wieder zu befreien.